Interviews

DI Conrad Birkmeier

Expert Birkmeier
Expert Birkmeier

„Für einen gelungenen Holzbau müssen alle wesentlichen Planer bereits zum Projektstart mit an Bord, und treuhändisch für die Bauherrschaft tätig sein.“

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Wissenslücke bzw. das größte Vorurteil von Kunden, Planern und der Allgemeinbevölkerung in Bezug auf den Holzbau?

Ich glaube, das größte Vorurteil der Kunden und Bauherren gegenüber dem Holzbau ist die Befürchtung einer reduzierten Dauerhaftigkeit der Holzbauweise.

Die größte Wissenslücke bei Architekten, Tragwerksplanern sowie auch anderen Fachplanern sehe ich darin, dass sie mit dem Material noch nicht ausreichend vertraut sind. In Fachgesprächen und auch in Plänen fällt immer wieder auf, dass hier Begrifflichkeiten durcheinandergeraten oder total falsch verwendet werden. Für eine gute Zusammenarbeit ist aber gerade eine gemeinsame und eindeutige Ausdrucksweise enorm wichtig. Ein Beispiel hierfür ist die Verwechslung von Brettsperrholz und Brettschichtholz; diese Produkte unterscheiden sich grundsätzlich voneinander und ihre unterschiedlichen Eigenschaften haben eine große Auswirkung auf die Möglichkeiten der Architektur, aber auch der Fachplaner (z.B. bei Durchbrüchen). Ganz wesentlich für eine fruchtbare Zusammenarbeit in der Planung ist ein gegenseitiges Verständnis. Hierfür bedarf es einer gemeinsamen Sprache!

Der Holzbau verfügt – im Vergleich zum Betonbau – auch über eine wesentlich größere „Arten-Vielfalt“ an Lösungsmöglichkeiten. Im Betonbau bietet der Polier- bzw. Schalplan für den Tragwerksplaner ein gewisser „Freiraum“ innerhalb dessen er sich bewegen kann. So kann beispielsweise ein Unterzug oder eine Decke bei unterschiedlichen Spannweiten mit mehr oder weniger Bewehrung versehen werden. Die Bauteil-Abmessungen bleiben gleich. Im Holzbau ist dies nur sehr eingeschränkt möglich. Eine Veränderung der Spannweiten hat hier meist eine andere Bauteil-Dimension zur Folge.

Während im Betonbau eine Ausführung in Sichtqualität – aus vielen Gründen – eine eher seltene Besonderheit darstellt, besteht im Holzbau relativ schnell der Wunsch nach einer Ausführung in Sichtqualität – und dies erfordert eine entsprechend abgestimmte, integrale Planung.

Was verstehen Sie überhaupt unter Großvolumig in Bezug auf den Holzbau? Welche technischen Lösungen werden derzeit hauptsächlich für großvolumige Holzbauten verwendet?

Als großvolumigen Holzbau würde ich zunächst einmal Büro- bzw. Wohngebäude ab vier Geschoßen bezeichnen, auch wenn das sicher nicht so pauschal definiert werden kann.

In den letzten Jahren hat sich dort die Brettsperrholzbauweise für Decken, aber auch für Wandelemente etabliert – meist in Kombination Stützen und Trägern aus Brettschichtholz. Ein großer Vorteil der genannten Holzmassivbauweise ist, dass gerade bei großen Gebäuden im Brandfall die tragenden Elemente durch das günstige Verhältnis Oberfläche/Volumen eine ausreichende Feuerwiderstandsdauer relativ einfach gewährleisten können – auch in Sichtqualität!

In welchen Bereichen des Holzbaus besteht Ihrer Meinung nach noch Forschungsbedarf? Was gilt es zu tun, damit in Zukunft mehr großvolumige Holzbauten entstehen?

Ein großes Thema für größere Holzgebäude ist der Brandschutz. Wir wissen, dass Holz ein brennbarer Baustoff ist – ja, Holz brennt, aber es brennt sicher. Ab einer gewissen Geschossigkeit gelangt man in den Bauvorschriften jedoch sehr bald auf die Anforderung A2 (die Konstruktion selbst darf keinen Beitrag zum Brand leisten) – was nichts mehr mit der Tragsicherheit (Feuerwiderstandsdauer eines Bauteils) zu tun hat. Um dieses „A2 Kriterium“ zu erfüllen, müssen tragende Holzbauteile oft, vor allem im Treppenhaus oder in Liftschächten sehr aufwendig verkleidet werden und es kann kein Holz mehr an der Oberfläche sichtbar bleiben (Kapselung). Das führt zu einem Mehraufwand, der häufig auch die Kosten in die Höhe treibt. In Tirol gibt es schon mehrere 5-geschoßige Beispiele, die zeigen, dass es zwar geht, aber dass der Aufwand dafür optimiert werden sollte.

Meine Hoffnung ist, dass die Forschung hier neue Erkenntnisse aufzeigt, um mehr Holz auch sichtbar in mehrgeschossigen Gebäuden ausbilden zu dürfen. Die derzeitigen Szenarien berücksichtigen zum Beispiel nicht die Inneneinrichtung und Raumausstattung (z.B. Teppiche, Möbel, Vorhänge), die aber – meiner Einschätzung nach – einen weitaus größeren Beitrag zum Brand (Brandentwicklung, Entflammbarkeit, Rauchentwicklung usw.) leisten als die relativ kompakten Holzoberflächen von massiven Holzbauteilen. Vielleicht sind hier Lockerungen in Hinblick auf das Brandverhalten von Bauteilen möglich – ohne das gewünschte Sicherheitsniveau wesentlich zu beeinträchtigen.

Wohin wird sich der Holzbau in Zukunft entwickeln? Welche Chancen sehen Sie im großvolumigen Bauen mit Holz?

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Holzbau bereits im Bereich der Ein- und Mehrfamilienhäuser, sowie für Aufstockungen als qualitativ hochwertig etabliert. Es gilt nun auch im Sektor des leistbaren Wohn- und Bürobaus stärker zu werden. Das schaffen wir, indem wir gut geplante, gut ausgeführte und über den gesamten Lebenszyklus ausgelegte Projekte verwirklichen und vor den Vorhang holen. Wir müssen dabei nicht immer wieder Leuchtturmprojekte und Prototypen planen und bauen.

In Zukunft – und gerade im Holzbau – wird es immer wichtiger sein, dass die wesentlichen Planer (Architektur/Tragwerksplanung/Fachplanung/…) ein Projekt bereits von Anfang an gemeinsam planen und „treuhändisch“ für den Bauherren tätig sind. Wer nimmt sich schon den billigsten Rechtsanwalt, wenn es darum geht, rechtliche Interessen wirkungsvoll zu vertreten? Wer geht zum billigsten Arzt, wenn der Rücken schmerzt? Architekten und Ingenieurkonsulenten garantieren hier einen integralen Planungsprozess. Dieser sollte nicht als Kostenfaktor für den Kunden wahrgenommen werden, sondern als Qualitätsmerkmal. Bei einem gut eingespielten Team funktionieren dann auch die Abläufe sehr effizient und es kommt zu weniger „Reibungsverlusten“ und am Ende zu einem erfolgreichen Holzbauprojekt.