Interviews

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Philipp Dietsch

Expert Dietsch
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„Vorurteile gegenüber dem Holzbau entstehen durch mangelnde Kenntnis.“

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Wissenslücke bzw. das größte Vorurteil von Kunden, Planern und der Allgemeinbevölkerung in Bezug auf den Holzbau?

„Holz brennt und Holz fault“.Obwohl es für Fachleute abgedroschen klingt, ist zumindest das zweite Argument immer noch in den Köpfen der Bevölkerung und damit auch in den Köpfen vieler Entscheider.

„Hält ein Holzgebäude auch ein Leben lang“? Das Märchen der drei kleinen Schweinchen, welche in einem Strohhaus, einem Holzhaus, respektive einem Steinhaus wohnen und versuchen, sich vor dem Wolf in Sicherheit zu bringen, und ihnen dies nur im Steinhaus gelingt, steckt unbewusst in mehr Köpfen als wir uns wünschen.

Überzeugung geschieht am Objekt. Großvolumige Holzgebäude werden zwar mit Interesse beäugt, durch ihren Seltenheitswert aber auch noch mit einer gewissen Portion Skepsis. Solange großvolumige Gebäude in unserer gebauten Umwelt noch keine Normalität sind, werden sie auch im Bewusstsein der Menschen noch keine Normalität, Es bleibt also Platz für das unterbewusste Gefühl „es wird schon einen Grund haben, warum es so wenige dieser Gebäude gibt“.

Vorurteile entstehen auch durch mangelnde Kenntnis. Der Holzbau weiß um seine Stärken – wir haben jedoch Aufholbedarf darin, den Rest der Welt von den Stärken des Holzbaus zu überzeugen.

Was verstehen Sie überhaupt unter Großvolumig in Bezug auf den Holzbau? Welche technischen Lösungen werden derzeit hauptsächlich für großvolumige Holzbauten verwendet?

Ich verstehe unter großvolumigen Gebäuden sowohl hallenartige Gebäude (Sporthallen, Industriehallen, Logistikhallen), als auch große Wohn- oder Bürogebäude, heute häufig unter „Tall Timber“ subsummiert.

  • Technische Lösungen für hallenartige Gebäude: Träger auf Stützen, entweder als einfeldrige oder mehrfeldrige Tragsysteme. Das Thema Brandschutz wird aufgrund der Erdgeschossigkeit lösbar.
  • Technische Lösungen für „Tall Timber“: Häufig Massivholzkonstruktionen in Verbindung mit einem Erdgeschoß und Treppenhaus-/Aufzugskernen aus Stahlbeton. Die Decken sind häufig auch als Holz-Beton-Verbundsysteme ausgeführt. Im Hinblick auf den Brandschutz wird für Fluchtwege häufig auf Stahlbetonbauweisen zurückgegriffen, gerne in Verbindung mit einer Sprinklerung.

In welchen Bereichen des Holzbaus besteht Ihrer Meinung nach noch Forschungsbedarf? Was gilt es zu tun, damit in Zukunft mehr großvolumige Holzbauten entstehen?

Forschung in Bezug auf Tall Timber:

  • Brandschutz: Ausbrennen („design for burn-out“); Selbstverlöschung („self-extinguishment“); Brandausbreitung über die Fassade („fire-spread“).
  • Tragwerk: Robustheit (Verhalten bei Ausfall von Traggliedern); unterschiedliches Setzungsverhalten zwischen Holz und Stahlbeton; das Tragsystem Platte auf Stützen

Forschung in Bezug auf hallenartige Tragwerke:

  • Tragwerk: Konstruktion mit und Verbindung von neuartigen Holzprodukten, z.B. Furnierprodukte oder Produkte aus Laubholz.
  • Ausführung: Baustellenverklebung
  • Lebenszyklus: Rückbaubarkeit und Wiederverwendung (Kaskadennutzung)

Wohin wird sich der Holzbau in Zukunft entwickeln? Welche Chancen sehen Sie im großvolumigen Bauen mit Holz?

  • Im Wohnbaubereich wird der Holzbau zur Normalität werden.
  • Im Hallenbau ist der Holzbau bereits eine ernstzunehmende Alternative. Im landwirtschaftlichen Bauen sollte sich der Holzbau seine Marktanteile nicht weiter wegnehmen lassen.
  • Im Büro- und Verwaltungsbau sollte der Holzbau eine echte Alternative werden. Aufgrund der zunehmenden Bautätigkeit in diesem Bereich in Verbindung mit dem bislang geringen Marktanteil des Holzbaus sehe ich hier die größten Chancen für das großvolumige Bauen mit Holz. Die Politik wird das Thema der Nachhaltigkeit im Bauwesen verstärkt angehen müssen. Dies sollte der Holzbau im Hinblick auf Gebäude der öffentlichen Hand nutzen.